WS 2022/23

Veranstaltungen im Wintersemester 2022/23

Im Wintersemester 2022/23 wird Prof. Dr. Dr. Morell folgende Lehrveranstaltungen anbieten: 

  • Zivilrecht II (Vorlesung)
  • Soziale Normen und Recht (Seminar)
  • Zivilrecht und Ökonomie (Kolloquium)

Zivilrecht II (Vorlesung)


Die Vorlesung Zivilrecht II, die an die Vorlesung Zivilrecht I anschließt, behandelt das allgemeine Schuldrecht und ausgewählte Probleme des besonderen Schuldrechts, insbesondere des Kauf- und des Werkvertragsrechts. Das Schuldrecht behandelt Schulden – und spiegelbildlich Ansprüche. Die Vorlesung wird daher Fragen wie die Folgenden behandeln. Wie erlangt man Ansprüche und wie verliert man sie? Wie bestimmt man ihren Inhalt? Was geschieht, wenn nicht, zu spät oder schlecht geleistet wird, was wenn dem Schuldner etwas „dazwischen kommt“? Und kann man die vertragliche Rechte und Pflichten wieder loswerden, wenn man sie nicht mehr will? Die Themen wie auch die zivilrechtliche Falllösungstechnik werden anhand von Beispielsfällen illustriert und eingeübt. 


Sachverhalt für die Hausarbeit

Den Sachverhalt finden Sie unter dem unten angegebenen Link: 


Sachverhalt Hausarbeit Zivilrecht II WiSe 2022/23

Soziale Normen und Recht (Seminar)


Die Rechtswissenschaften seien „Normwissenschaften“, sagen Juristen gern. Aber es gibt natürlich auch außerrechtliche Normen. Man kann an Moral denken aber auch an Regeln, die gemeinhin nicht moralisch verstanden werden: Etwa die, bei Rot an der Am- pel zu warten. Die Soziologie hat für solche und verwandte Phänomene den Begriff der „sozialen Normen“ hervorgebracht und ihn über die Jahre in die Psychologie, die Philosophie, die Politikwissenschaft und die Volkswirtschaftslehre „exportiert“. Auf dieser Reise durch die Disziplinen ist der Begriff ein schillernder geworden, der in vielen Facetten behandelt und angewandt wird. Die Wirt- schaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom – von Hause aus vielleicht eher Politologin – hat untersucht, wie soziale Normen helfen, geteilte Ressourcen zu erhalten und zum allseitigen Vorteil zu nutzen. Christina Bicchierin, eine Philosophin hält soziale Normen für die Grammatik der Gesellschaft. Erik Posner hat als Rechtswissenschaftler beschrieben, wie das Recht und soziale Normen sich gegenseitig beeinflussen und bedingen. George Akerlof und Rachel Krantin halten soziale Normen für ein wesentliches Element, dessen Fehlen in Standardmodellen der Ökonomie erklärt, warum diese Modelle in bestimmten Situationen falsche Vorhersagen machen. Obwohl sich die Begriffe sozialer Normen, die die genannten Wissenschaftler nutzen, unterscheiden, ist ihnen gemein, dass sie – anders als die frühere soziologische Literatur – spieltheoretische Instrumente verwenden und die Erwartungen an das Verhalten und das Urteil Anderer ins Zentrum der Analyse der Motivation von Agenten stellen. 

Das Seminar soll das Verhältnis von sozialen Normen und Recht erhellen. Dazu soll sozialwissenschaftliche Forschung zu sozialen Normen mit rechtswissenschaftlichen Forschungsfragen in Beziehung gesetzt werden, um vielleicht neue Antworten auf alte Fragen zu finden. Das Seminar konzentriert sich auf die Literatur zu sozialen Normen aus der Ökonomie, der Philosophie, der Psychologie und vereinzelt auch der Politologie. Es behandelt die soziologische, weniger quantitativ ausgerichtete Forschung zum Thema dagegen allenfalls am Rande. Vorkenntnisse in quantitativen sozialwissenschaftlichen Methoden, insbesondere der Spieltheorie, sind hilfreich, werden aber nicht vorausgesetzt. Das Seminar ist auch ohne diese Vorkenntnisse gut zu bewältigen. 


Link zum Olat-Kurs: https://olat-ce.server.uni-frankfurt.de/olat/auth/RepositoryEntry/15719432199


Themenliste: 

Untenstehend finden Sie die Themen, von denen ich maximal 11 ausgeben werde. Sie erkennen, dass das Seminar drei Blöcke hat. Die Themen des ersten Blocks betreffen Theorien zu sozialen Normen. Die Themen des zweiten Blocks betreffen Anwendungen dieser Theorien auf „das Recht“ im Ganzen. Der dritte Block betrifft Anwendungen auf Rechtsanwendungsfragen.

Ihre Aufgabe ist es, das allgemeine Thema zu einer interessanten Fragestellung zu konkretisieren und die Fragestellung überzeugend und gut nachvollziehbar zu beantworten. Damit Sie einen Einstieg in das Thema finden, habe ich für jedes der Themen auf einige Texte verwiesen, die Ihnen zum Einstieg in die Literatur dienen. Keinesfalls sollten Sie sich auf die angegebenen Texte beschränken. Keinesfalls sollten Sie die Thesen der Texte ohne Abgleich mit der Literatur übernehmen. Die Texte sind als Einstieg gedacht. Ein Text, der scheinbar in eine bestimmte Richtung weist, heißt nicht, dass Sie das Thema in dieser Richtung behandeln sollen. Es kann sein, dass er nur die nützlichsten Fußnoten für Ihr Thema enthielt. Sie behandeln Ihr Thema, nicht ich, auch nicht durch die ausgegebenen Texte.

In den drei Blöcken des Seminars bieten sich unterschiedliche Vorgehensweisen an.

Im ersten Block steht jeweils eine Verhaltenstheorie im Zentrum. Sie sollten die Theorie in die Literatur einordnen, bewerten und dann versuchen, sie für eine konkrete rechtsrelevante Frage fruchtbar zu machen oder zeigen, dass die Theorie zur Beantwortung bestimmter Fragen nicht taugt. Ihr Spielraum in dem Sie sinnvolle Fragestellungen finden können, ist also sehr groß. Die Fragen, die Sie behandeln werden, können ähnliche sein wie im zweiten und dritten Block des Seminars – müssen aber nicht.

Im zweiten und dritten Block des Seminars dagegen, sind die Fragestellungen mit dem Thema stärker vorgegeben, weil jeweils eine konkrete theoretische Frage, ein praktischer Kontext oder sogar ein konkretes praktisches Problem angesprochen ist. Es gibt allerdings immer noch einen erheblichen Spielraum für die Formulierung einer Frage, die so konkret ist, dass Sie sie auch beantworten können. Was im zweiten und dritten Block dagegen nicht vorgegeben ist, ist das Verhaltensmodell, das Sie wählen. Hier haben Sie ganz weiten Spielraum.

Sie sehen vielleicht schon, dass die drei Blöcke sich ergänzen. Die Verhaltenstheorien brauchen praktische Probleme, um fruchtbar gemacht zu werden, und zur Lösung rechtstheoretischer Fragen oder praktischer Probleme braucht man eine Theorie darüber, wie Menschen sich verhalten. Werfen Sie daher vielleicht auch einen Blick in die zu einem anderen Thema angegebene Literatur. Vor allem will ich Sie ausdrücklich dazu ermuntern, miteinander zu sprechen. Sie alle werden im Laufe der Bearbeitung zu Spezialisten – entweder für eine Theorie oder für ein Rechtsproblem. Wissenschaft lebt vom Austausch, den Sie im Seminar gern einüben dürfen und sollen. Wenn Sie ein konkretes Problem bearbeiten, informieren Sie sich bei Ihren Kollegen darüber, welche Theorien zur Lösung zur Verfügung stehen. Und wenn Sie eine Theorie bearbeiten, informieren Sie sich bei Ihren Kollegen über bestimmte praktische Probleme und denken Sie darüber nach, wie Ihre Theorie zu Lösung beitragen kann und für welche Probleme Ihre Theorie vielleicht blind ist.

Ich empfehle Ihnen für die Literaturarbeit sehr, die Software Citavi zu nutzen – nicht so sehr für das Zitieren, sondern vor allem für das Exzerpieren und für die Strukturierung der Arbeit.


Die Teilnehmerzahl ist auf maximal 11 beschränkt. Drei Themen sind also „Reservethemen, damit auch der/die sich zuletzt Anmeldende noch eine Auswahl hat.

Sie finden fast alle angegebene Literatur leicht über Google Scholar.

Themenliste

Erster Block: Theoretische Ansätze 

1.     Das Modell normativer Motivation von Christina Bicchieri (Bicchieri 2006; Bicchieri und Chavez 2010; Raihani und McAuliffe 2014; Bicchieri und Xiao 2009; Dimant et al. 2020) 

2.     Das Modell sozialer Normen von Elinor Ostrom und seine Bedeutung in modernen westlichen gesellschaften (Ostrom 2000) 

3.     Das Koordinationsmodell sozialer Normen (Posner 2000; Nyborg et al. 2016) 

4.     The expressive function of the law (Carbonara 2017; Nadler 2017) 

5.     Identity economics and the law (Akerlof und Kranton 2010) 

Zweiter Block: Anwendungen in der Rechtstheorie 

6.     Gibt es einen Unterschied zwischen dem Verhältnis von Recht und Sittlichkeit und dem zwischen Recht und sozialen Normen? (Dubreuil und Grégoire 2013) 

7.     Recht und soziale Normen: Kompemente oder Substitute? (Beachte: Komplemente sind Güter deren nutzen sich wechselseitig verstärkt, Substitute sind Güter, die dasselbe Bedürfnis befriedigen) (Kube und Traxler 2011; Zasu 2007) 

8.     Kann es Recht ohne soziale Normen geben? (Licht et al. 2007; Basu 2015) 

Dritter Block: Anwendungen im Recht 

9.     Die Bedeutung sozialer Normen für die Funktion der Justiz (Engel und Zhurakhovska 2017) 

10.  Grundrechte als soziale Normen? 

11.  Generalklauseln als Einfallstore für soziale Normen? 

12.  Auslegung als soziale Norm? (Beachte! „Auslegung“ kann die Tätigkeit, Regelanwendung oder das Ergebnis der Auslegung beschrieben.) 

13.  Handelsbräuche als soziale Normen mit Rechtsgeltung? 

14.  Soziale Normen im Gesellschaftsrecht (Eisenberg 1999; Huck et al. 2012) 

Literaturverzeichnis

Akerlof, George A.; Kranton, Rachel E. (2010): Identity economics. How our identities shape our work, wages, and well-being. Princeton, NJ: Princeton Univ. Press. 

Basu, Kaushik (2015): The Republic of Beliefs. A New Approach to 'Law and Economics'. World Bank (Policy Research Working Paper, 7259). 

Bicchieri, Cristina (2006): The Grammar of Society. The Nature and Dynamics of Social Norms. Cambridge, UK: Cambridge University Press. 

Bicchieri, Cristina; Chavez, Alex (2010): Behaving as expected: Public information and fairness norms. In: J. Behav. Decis. Making 23 (2), S. 161–178. DOI: 10.1002/bdm.648. 

Bicchieri, Cristina; Xiao, Erte (2009): Do the right thing: but only if others do so. In: J. Behav. Decis. Making 22 (2), S. 191–208. DOI: 10.1002/bdm.621. 

Carbonara, Emanuela (2017): Law and Social Norms. In: Francesco Parisi (Hg.): The Oxford Handbook of Law and Economics: Volume 1: Methodology and Concepts, Bd. 1: Oxford University Press (1). 

Dimant, Eugen; Bicchieri, Cristina; Xiao, Erte (2020): Deviant or Wrong? The Effects of Norm Information on the Efficacy of Punishment. In: SSRN Journal. DOI: 10.2139/ssrn.3294371. 

Dubreuil, Benoît; Grégoire, Jean-François (2013): Are moral norms distinct from social norms? A critical assessment of Jon Elster and Cristina Bicchieri. In: Theory Decis 75 (1), S. 137–152. DOI: 10.1007/s11238-012-9342-3. 

Eisenberg, Melvin (1999): Corporate Law and Social Norms. In: Columbia Law Review 99 (5), S. 1253–1292. 

Engel, Christoph; Zhurakhovska, Lilia (2017): You Are in Charge Experimentally Testing the Motivating Power of Holding a Judicial Office. In: Journal of Legal Studies 46, S. 1–50. DOI: 10.2139/ssrn.2867696. 

Huck, Steffen; Kübler, Dorothea; Weibull, Jörgen (2012): Social norms and economic incentives in firms. In: Journal of Economic Behavior & Organization 83 (2), S. 173–185. DOI: 10.1016/j.jebo.2012.05.005. 

Kube, Sebastian; Traxler, Christian (2011): The Interaction of Legal and Social Norm Enforcement. In: Journal of Public Economic Theory, 639-660. 

Licht, Amir N.; Goldschmidt, Chanan; Schwartz, Shalom H. (2007): Culture rules: The foundations of the rule of law and other norms of governance. In: Journal of Comparative Economics 35 (4), S. 659– 688. DOI: 10.1016/j.jce.2007.09.001. 

Nadler, Janice (2017): Expressive Law, Social Norms, and Social Groups. In: Law and Social Inquiry

Nyborg, Karine; Anderies, John M.; Dannenberg, Astrid; Lindahl, Therese; Schill, Caroline; Schlüter, Maja et al. (2016): Social norms as solutions. In: Science 354 (6308), S. 42–43. DOI: 10.1126/sci- ence.aaf8317. 

Ostrom, Elinor (2000): Collective Action and the Evolution of Social Norms. In: Journal of Economic Perspectives 14 (3), S. 137–158. 

Posner, Eric A. (2000): Law and social norms. Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Press.


Raihani, Nichola J.; McAuliffe, Katherine (2014): Dictator Game Giving: The Importance of Descriptive 
versus Injunctive Norms. In: PloS one 9 (12), e113826. DOI: 10.1371/journal.pone.0113826. 

Zasu, Yoshinobu (2007): Sanctions by Social Norms and the Law: Substitutes or Complements. In: The Journal of Legal Studies 36 (2), S. 379–396. 

Zivilrecht und Ökonomie (Kolloquium)


Die Anwendung der ökonomischen Methode auf aktuelle zivilrechtliche und zivilprozessuale Fragen des deutschen Rechts steht im Mittelpunkt der Veranstaltung. Dennoch ist die Veranstaltung so konzipiert, dass auch Studierende ohne ökonomische Vorkenntnisse folgen und dabei ökonomisches Wissen erwerben können. Studierende mit ökonomischem Vorwissen werden neue Einsichten über die Verwendung dieses Wissens bei der rechtsdogmatischen Argumentation erwerben. 

Das Zivil- und Zivilprozessrecht ist die Keimzelle und der Kernbereich der ökonomischen Analyse des Rechts. Zugleich ist die öko- nomische Analyse in diesem Bereich immer noch hochaktuell, denn wer Recht wirkungsorientiert auslegen oder gar fortentwickeln will, braucht eine Methode zur Beschreibung der Wirklichkeit. Nur zwei Beispiele: Haftungsfragen sind Klassiker der ökonomischen Analyse und jüngst mit der Frage nach der Haftung für Unfälle mit selbstfahrenden Autos wieder aktuell geworden. Welches Haftungsmodell würde hier am ehesten dazu beitragen, Unfälle zu vermeiden? Sammelklagen werden zurzeit ebenfalls heiß diskutiert – zum Beispiel auf dem diesjährigen Juristentag. Verschiedene Rechtsberater versuchen etwa im Kartellrecht durch „Abtretungsmodelle“ Sammelklagen zu simulieren. Wie sollten diese dogmatisch konstruiert sein, um zur effizienten Prävention von Rechtsverstößen beizutragen? In anderen Bereichen könnten solche Abtretungsmodelle mit der diesjährigen Einführung der „Musterfeststellungsklage“ für Verbraucher obsolet werden. Wie sind die neuen Regeln auszulegen, um Verbraucherrechten das effiziente Maß an Wirksamkeit zu verleihen?