Neues Publikationsformat präsentiert Positionen und Projekte aus den AIWG-Wissenschaftsformaten
Die Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG) an der Goethe-Universität hat heute die erste Ausgabe ihres neuen Formats WiFo paper (Wissenschaftsformate) veröffentlicht. Der erste Artikel beschäftigt sich multiperspektivisch mit den sogenannten Normenversen des Korans. Deren Auslegungen werden unter Musliminnen und Muslimen seit jeher kontrovers diskutiert. Der Beitrag reflektiert klassische Diskurse zu diesen Normenversen und erläutert die vielfältigen Deutungsweisen am Beispiel der Verse zum Erbrecht.
FRANKFURT. Wie
normativ ist der Koran, und was bedeutet das für den muslimischen Alltag in
Deutschland? Welche Rolle spielt der Text für muslimische Menschen, die in
säkularer Umgebung leben? Wie lassen sich normhaltige Verse im islamischen Religionsunterricht
an deutschen Schulen behandeln? Diesen Fragen gehen eine Wissenschaftlerin und
zwei Wissenschaftler der AIWG Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des
Korans im Zeichen gesellschaftlichen Wandels“ in ihrem jetzt erschienen
gleichnamigen Artikel nach. Dr. Farid Suleiman und Dr. Abdelaali El Maghraoui
zeigen, dass es verschiedene Modelle koranischer Normativität gibt. Einige
davon stellen die beiden Autoren im Artikel näher vor. Zudem diskutieren sie
den Begriff der „Normenverse“ des Korans selbst, auf Arabisch āyāt al-aḥkām. Die Lehrerin Sarah Rahman
beschäftigt
sich sodann mit der Frage, welche Möglichkeiten für die
Diskussion der Normverse sich in der religionspädagogischen Praxis ergeben können.
Auch wenn es natürlich immer eine Tendenz gegeben habe, einen
allgemeinen Konsens über koranische Auslegungen herbeizuführen, zeigt der
Beitrag, dass Absolutheitsansprüche aufgrund der Vielfalt der bestehenden
Meinungen klassischer und zeitgenössischer Rechtsgelehrter schwer haltbar sind.
Bestimmte Verse des Korans seien sicher normativ, jedoch könne das Konzept der
Normativität selbst in unterschiedlichen Formen verstanden werden. Sara Rahman
ergänzt die islamrechtlichen und exegetischen Ausführungen mit
religionspädagogischen Vorschlägen. Die Gymnasiallehrerin zeigt, wie Kindern
und Jugendlichen die komplexe Vielfalt des Islams im Islamischen
Religionsunterricht anhand praktischer Übungen nähergebracht werden kann.
„Der jetzt veröffentlichte Beitrag gibt Einblick in eine für den
deutschsprachigen Raum fachübergreifende und umfassende Abhandlung zu
islamtheologischen Fragen der Normativität des Korans. Er stellt eine
Momentaufnahme aus der mehrjährigen Forschung unserer Longterm-Forschungsgruppe
an den Universitäten Tübingen und Erlangen-Nürnberg dar, die dem weiten
thematischen und historischen Spektrum der Diskurse gerecht wird und die
Dynamik und den Wandel im Verständnis des Korans aufzeigt und erklärt. Damit
solche Arbeiten und Erkenntnisse nicht im Elfenbeinturm der Wissenschaft
bleiben, will die AIWG mit ihrem neuen Publikationsformat eine Brücke in die
interessierte Öffentlichkeit schlagen“, kommentiert Dr. Raida Chbib,
Geschäftsführerin der AIWG, das Erscheinen des ersten Beitrags aus den AIWG
Forschungsgruppen im neuen Format.
Die AIWG richtet sich mit diesem Format an die wissenschaftliche
Fachcommunity, aber auch an Lehrkräfte, Studierende, Journalistinnen und
Journalisten und weitere Fachleute aus der Praxis. Das Publikationsformat ist
nicht rein fachwissenschaftlich, die Beiträge reflektieren jedoch die aktuelle
Forschung. „Insbesondere bei aktuellen gesellschaftsrelevanten Fragen ist es
wichtig, dass verlässliche und fachlich ausgewiesene Erkenntnisse möglichst
zeitnah verfügbar sind. Die WiFo papers sollen Informationen, aber auch
Forschungslücken sichtbar machen, die ansonsten nur einem begrenzten
Fachpublikum zugänglich wären“, so Dr. Raida Chbib.
Dr. Farid Suleiman ist wissenschaftlicher
Koordinator der AIWG-Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des Korans im
Zeichen gesellschaftlichen Wandels“ am Department Islamisch-Religiöse Studien
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Zu seinen
Forschungsschwerpunkten gehören islamische Gottes- und Menschenbilder sowie
deren Verhältnis zu klassischen Konzeptionen von Normativität. Dr. Abdelaali
El Maghraoui ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der
AIWG-Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des Koran im Zeichen
gesellschaftlichen Wandels“, Teilprojekt Islamisches Recht am Zentrum für
Islamische Theologie an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Zu seinen
Forschungsschwerpunkten zählen unter anderem Islamische Normenlehre in
Vergangenheit und Gegenwart sowie die sozialen und ethischen Aspekte des
Islamischen Rechts. Sara Rahman hat Chemie, Psychologie und Philosophie
studiert und ist Gymnasiallehrerin in Wien. Zudem lehrt sie an der Universität
Wien zum Verhältnis von Pädagogik und Religion seit der Aufklärung. Sie ist
ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin in der
AIWG-Longterm-Forschungsgruppe.
Die AIWG Longterm-Forschungsgruppe „Normativität des Korans
im Zeichen gesellschaftlichen Wandels“ hat das Ziel, die Debatte über die
Normenverse des Korans mithilfe eines multidimensionalen Ansatzes
wissenschaftlich zu ordnen und in einen Bezug zu praktischen Fragestellungen zu
bringen. Das standortübergreifende Projekt wird von Prof. Dr. Mohammed Nekroumi
(Universität Nürnberg-Erlangen), Prof. Dr. Mouez Khalfaoui (Universität
Tübingen) und Prof. Dr. Fahimah Ulfat (Universität Tübingen) geleitet. Das
vierjährige Projekt ist im September 2018 angelaufen.
Über die AIWG
Die AIWG ist eine universitäre Plattform für Forschung und
Transfer in islamisch-theologischen Fach- und Gesellschaftsfragen. Sie
ermöglicht überregionale Kooperationen und Austausch zwischen
islamisch-theologischen Studien und benachbarten Fächern sowie Akteuren und
Akteurinnen aus der muslimischen Zivilgesellschaft und weiteren
gesellschaftlichen Bereichen. Die AIWG wird gefördert vom Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) und durch die Stiftung Mercator.
Publikation: WiFo paper „Die Normativität des Korans“
Bilder zum Download: https://www.puk.uni-frankfurt.de/103459252
Bildtext: Cover des neuen Publikationsformats WiFo paper
Weitere Informationen
Stefanie
Golla
Koordinatorin Wissenschaftskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft
Goethe-Universität
Telefon 069 798-22459
E-Mail golla@aiwg.de
Homepage https://aiwg.de/