Neue Forschungsgruppe an der Goethe-Universität befasst sich mit der Black-Power-Bewegung und dem Ringen um die US-Demokratie
Brutale Polizeigewalt gegen Afroamerikaner ist seit jeher Alltag auf US-amerikanischen Straßen. Und nicht erst seit dem Tod von George Floyd formiert sich dagegen massiver Widerstand. Die 2013 gegründete Bewegung #BlackLivesMatter erfährt weltweit breite Unterstützung. Eine neue Forschungsgruppe unter Leitung des Amerikanisten Prof. Simon Wendt untersucht nun die Vorläufer dieser Bewegung im 20. Jahrhundert und fragt nach den Erfolgen und Auswirkungen von Black Power.
FRANKFURT. In den
vergangenen 20 Jahren ist das Interesse der Geschichtswissenschaften am Thema
Black Power gewachsen. Dennoch gibt es nach wie vor viele historiografische
Lücken. Einige davon soll die neue Forschungsgruppe, die offiziell im Mai an
den Start geht, schließen helfen. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler wollen einen neuen Blick auf die Black-Power-Bewegung werfen,
um deren Einfluss auf die amerikanische Demokratie und die damit verbundenen
Werte besser zu verstehen.
„Die 1960er und 1970er Jahre haben die Debatten über Rassismus und
Demokratie tiefgreifend beeinflusst – bis heute. Wir wollen uns in diesem
Zusammenhang die weniger bekannten Black-Power-Gruppierungen sowie
vernachlässigte Themen betrachten und damit das Ringen zwischen konkurrierenden
Idealen der US-Demokratie und ihre langfristigen Auswirkungen sichtbar machen“,
erklärt Prof. Simon Wendt. Dabei soll insbesondere die Geschlechter-, Sozial-,
Geistes- und Politikgeschichte miteinander verbunden werden. Wie hat sich der
antirassistische Kampf der Black Power Bewegung auf Vorstellungen einer
gerechten und demokratischen Gesellschaft ausgewirkt?
Die Forschungsgruppe besteht vor allem aus drei
Promotionsprojekten. In einem dieser Projekte geht es um die Spannungen
zwischen Black-Power-Bewegung und Gay-Liberation-Bewegung und um deren
Zusammenarbeit. Inwiefern haben die unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie
eine gerechte und demokratische Nation aussehen sollte, das Streben der beiden
Bewegungen nach vollständiger Gleichberechtigung gefördert oder behindert? Ein
weiteres Projekt untersucht die zeitgenössische Kritik an der
Black-Power-Bewegung und analysiert deren Argumentation, um zu erkennen, wie
Debatten über Rassismus das Verständnis verschiedener gesellschaftlicher
Gruppen von Demokratie prägten. Das dritte Projekt schließlich wird erstmals
die Geschichte der National Black United Front nachzeichnen, einer
afroamerikanischen Organisation, die 1980 von ehemaligen Black-Power-Aktivisten
in New York gegründet wurde. Im Zentrum steht die Frage, ob und wie sich das
Verständnis von der US-Demokratie und die Taktiken des schwarzen
Freiheitskampfes nach dem Niedergang der Black-Power-Bewegung gewandelt haben.
Zwei weitere Studien ergänzen die drei Teilprojekte: Eine laufende Dissertation
befasst sich damit, wie Religion die Black-Power-Bewegung geprägt hat. Eine
weitere Studie soll die Flut historischer Studien über afroamerikanischen
Aktivismus seit 1945 zu einer allgemeinen Geschichte der Black-Power-Bewegung
zusammenfassen. „Wir erwarten am Ende der Förderphase fünf Monographien, die
alle wichtige Beiträge zur Erforschung der Black Power Bewegung und der
amerikanischen Demokratie leisten werden“, sagt Wendt. Nur mit dem Wissen um
die Geschichte dieser Bewegung lasse sich Black Lives Matter in der Gegenwart
verstehen.
Die Forschungsgruppe wird von der Gerda Henkel Stiftung bis 2025
mit rund 180.000 Euro gefördert.
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Simon Wendt
Institut
für England- und Amerikastudien
Goethe-Universität
Telefon 069/798-32368
E-Mail
wendt@em.uni-frankfurt.de