FRANKFURT. Nach
technischer Runderneuerung des Gebäudes präsentiert das MGGU – Museum Giersch
der Goethe-Universität zu seiner Wiedereröffnung eine umfassende Retrospektive
der Frankfurter Fotografinnen Nini (1884–1943?) und Carry Hess (1889–1957).
Ihre in Zeitungen, Illustrierten und Büchern, als Autogrammkarten oder als
Sammelbilder in Reklamealben vielfach publizierten Fotos prägten die populäre
Bildpublizistik der 1920er Jahre entscheidend mit – insbesondere ihre
beeindruckenden Aufnahmen moderner Frauen.
Die Ausstellung ist vom 11. März bis 22. Mai 2022 zu sehen. Mit ca. 120 Originalfotografien von 27 Leihgebern – von öffentlicher und von privater Seite – rekonstruiert die Ausstellung erstmalig Leben und Werk der beiden Schwestern, deren Fotoatelier zu den renommiertesten Adressen seiner Art in der Weimarer Republik zählte, heute aber nahezu vergessen ist. „Mit dieser Ausstellung knüpfen wir an die Tradition unseres Museums an, indem wir erneut den Fokus auf bislang weniger beachtete Künstlerinnen und Künstler lenken. Das beeindruckende fotografische Werk von Nini und Carry Hess lohnt die Entdeckung“, so Birgit Sander, Direktorin des MGGU.
Das Atelier Hess, seit 1913 in bester Lage am Rathenauplatz
ansässig, war zunächst spezialisiert auf Porträtfotografien. Im Laufe der
1920er Jahre zählten dann zahlreiche Prominente wie Max Beckmann, Alfred
Döblin, Paul Hindemith, Thomas und Katia Mann oder Mary Wigman zur Kundschaft
der Fotografinnen. Renommee weit über ihre Heimatstadt Frankfurt hinaus
erlangten die beiden Frauen auch durch ihre Theater-, Architektur-, Mode- und
Aktfotografien. Gut vernetzt, erfolgreich und selbständig verkörperten die
beiden Fotografinnen selbst den Typus dieser unabhängigen und engagierten
„Neuen Frau“ der Weimarer Republik.
Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft wurden Nini und Carry Hess Opfer
der nationalsozialistischen Verfolgung. In der Reichspogromnacht 1938
zerstörten SA-Trupps ihr Atelier und vernichteten dessen gesamte Ausstattung
und das Archiv. Nini Hess wurde in Auschwitz vermutlich 1943 ermordet. Ihre
Schwester Carry, die nach Frankreich emigriert war, starb 1957 in Chur
(Schweiz) nach einem entwürdigenden Kampf um finanzielle „Wiedergutmachung“,
die ihr kurz zuvor gewährt worden war.
Zur Ausstellung
Die Ausstellung folgt einem thematisch strukturierten Rundgang.
Sie beginnt mit einem chronologischen Einstieg und den frühen Jahren des
Atelier Hess' nach dessen Gründung 1913. Alsbald feierten beide Fotografinnen
Erfolge mit einem neuen, individuellen Porträtstil, der die Dargestellten
psychologisch zu durchdringen vermochte und den sie fortan gekonnt
weiterentwickelten. Die Entfaltung dieser Produktivität war eng mit der
Einbindung beider Frauen in das pulsierende kulturelle Leben Frankfurts jener
Zeit verbunden – schon bald entwickelte sich das Atelier Hess zu einer Art
Salon, in dem sich Kulturschaffende versammelten und so den Radius der
Kundschaft immer mehr erweiterten. Der Rundgang der Ausstellung setzt sich fort
mit Räumen zur Porträt-, Theater-, Tanz- und Aktfotografie – gegliedert nach
diesen Gattungen. Ein besonderer Akzent liegt dabei auf dem
theaterfotografischen Schaffen, mit dem Nini und Carry Hess das innovative
Bühnengeschehen in Frankfurt festhielten – ihre Theaterfotografien stellen ein
kongeniales Pendant zum „Frankfurter Expressionismus“ im Theater dar.
Die Ausstellung setzt im Folgenden einen weiteren Akzent auf der
vielfältigen medialen Weiterverbreitung der Fotografien von Nini und Carry
Hess: Gezeigt werden Beispiele in Illustrierten, Zeitungen, Büchern, Reklamealben
oder als Autogrammkarten. Diese bildpublizistische Arbeit stellte eine wichtige
Einnahmequelle beider Fotografinnen dar, sie steigerte nochmals erheblich die
Popularität und Bekanntheit des Ateliers. Mit dem Blick auf das persönliche
Schicksal von Nini und Carry Hess, auf ihre Verfolgung und Vernichtung durch
die Nationalsozialisten endet die Ausstellung. In diesem Kontext thematisiert
sie auch den Umgang in der Nachkriegszeit mit der durch die Verbrechen der
Nationalsozialisten bedingten Schuld und verweist auf Initiativen in der
jüngeren Gegenwart zur Erinnerung an das Leben und Schaffen der Fotografinnen.
Ausstellung und Katalog basieren auf intensiven, langjährigen
Recherchen und leisten einen bedeutenden Beitrag zur Aufarbeitung der
Geschichte des Frankfurter Kulturlebens während der Weimarer Republik. Sie
schließen ein wichtiges, bislang jedoch kaum beachtetes Kapitel der Kunst- und
Kulturgeschichte. Zugleich bereichert diese erstmalige differenzierte
Aufarbeitung und Präsentation des fotografischen Werks von Nini und Carry Hess
auch die Geschichte der Fotografie. Als das Museum der Goethe-Universität sehen
wir es zudem als unsere besondere Aufgabe an, dem Publikum zu vermitteln, wie
grundlegend wichtig Forschung und Wissenschaft für unsere Erinnerungskultur
sind. Zur Ausstellung werden vielfältige Bildungs- und Vermittlungsangebote in
analoger und digitaler Form angeboten.
Kurator und Kuratorin der Ausstellung: Eckhardt Köhn und Susanne
Wartenberg
Pressekonferenz: Donnerstag, 10. März 2022, 11 Uhr
Bitte um vorherige Anmeldung an presse@mggu.de
• Dr. Birgit
Sander, Direktorin MGGU – Museum Giersch der Goethe-Universität
• Prof. Dr.
Eckhardt Köhn, Kurator der Ausstellung
• Christine
Karmann, Kommunikation und Marketing MGGU – Museum Giersch der
Goethe-Universität
Bilder und Texte zum Download unter: https://www.mggu.de/presse/
Der
Ausstellungskatalog (256 Seiten, ca. 180 Abb.) mit Beiträgen namhafter
Autorinnen und Autoren ist im Hirmer Verlag erschienen. An der Museumskasse
kostet er 29 €.
Museum
Giersch der Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main
Eintritt:
Erwachsene 7,- € / Ermäßigt 5,- €. Personen unter 18 Jahren haben freien
Eintritt.
Öffnungszeiten:
Di, Mi, Fr, Sa, So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr
An
Feiertagen 10–18 Uhr geöffnet: 15.4., 17.4., 18.4, 1.5
Informationen: Christine Karmann,
Kommunikation und Marketing Museum Giersch der Goethe-Universität, Tel:
069/138210121, E-Mail: presse@mggu.de
Adresse: Museum Giersch der
Goethe-Universität, Schaumainkai 83, 60596 Frankfurt am Main