Auszeichnung für wissenschafts- und hochschulpolitische Themen wird zum achten Mal seit 2008 verliehen.
FRANKFURT. Das wissenschaftliche Scheitern als Chance, die Gefahren staatlicher Einflussnahme und die Vorbildfunktion wissenschaftlicher Biographien: Faszinierende Themen stehen im Fokus der Verleihung des diesjährigen Goethe-Medienpreises für wissenschafts-und hochschulpolitischen Journalismus an drei herausragende Autorenteams bzw. Einzelautoren renommierter Medien. Prämiert werden drei Arbeiten, die 2021 und 2022 in Print- und Hörfunkmedien erschienen sind.
Jeanette Schindler befasst sich in ihrem Radiofeature mit einem oftmals tabuisierten Thema in der Wissenschaft: mit dem Scheitern. Jede*r Wissenschaftler*in möchte ein Forschungsprojekt erfolgreich zu Ende führen, Misserfolge sind nicht intendiert. Aber birgt nicht auch ein Irrweg, so die Ausgangshypothese in Schindlers Feature, ein Erkenntnispotenzial? Sogenannte „Nullbefunde“ werden bislang im Wissenschaftsbetrieb nicht publiziert oder dokumentiert, obwohl die Forschungsdaten nützlich sein könnten. Jeanette Schindler zeigt in ihrem Beitrag ebenfalls auf, dass gerade Nachwuchswissenschaftler*innen unter großem Druck stehen, sich zu bewähren. In der Corona-Pandemie reagierten viele Menschen, auch Politiker*innen, verärgert und misstrauisch, wenn Wissenschaftler*innen falsche Annahmen in Bezug auf das Corona-Virus korrigieren mussten. Die Jury erkannte dieser mit interessanten und vielfältigen Stimmen angereicherten Arbeit („Scheitern in den Wissenschaften“, Radiofeature SWR 2, gesendet am 3. März 2022) den ersten Preis zu, der mit 4000 € dotiert ist.
Fördert die deutsche Wissenschaft indirekt das chinesische Militär? Sind die
deutschen Wissenschaftler*innen und Universitäten sich der Gefahr eines
Know-How-Transfers bewusst und wie gehen sie damit um? Diesen Fragen ist ein
Autoren- und Rechercheteam von Süddeutsche Zeitung, Correctiv, Deutsche Welle
und Deutschlandfunk in einer Recherche zusammen mit weiteren europäischen
Partnern nachgegangen. Die Beiträge im Rahmen der “China Science Investigation"
erschienen am 19. und 20.Mai 2022, dafür erhält das Team von der Jury den mit
1800 € dotierten zweiten Preis. Die Journalist*innen werteten tausende
wissenschaftliche Paper aus und recherchierte im chinesischen Netz zu den
persönlichen Verstrickungen zahlreicher chinesischer Wissenschaftler mit dem
chinesischen Militärapparat. Mit der Recherche konnte aufgezeigt werden, dass
in vielen Fällen die Universitäten, an denen chinesische Kolleg*innen arbeiten,
dem chinesischen Militär nahe oder sind ihm sogar ganz unterstellt sind. Mit
der Recherchearbeit konnten der deutschen Wissenschaftspolitik wichtige Impulse
gegeben werden, um das Verhältnis gegenüber China nachhaltig auf den Prüfstand
zu stellen.
Die
mit 1000 € dotierte dritte Preisträgerarbeit von Friederike Haupt („Vorbilder“,
erschienen in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 5.12.2021) befasst
sich mit zwei Physikerinnen, die die Welt verändert haben, wenn auch in ganz
unterschiedlichen Epochen und gesellschaftlichen Sphären: Es geht um eine
biographische Parallelität, auch um die Bedeutung von Vorbildern, um sich in
bewegten Zeiten orientieren zu können. Friederike Haupt zeichnet in ihrem
Beitrag einfühlsam und anschaulich nach, wie stark die Wissenschaftlerin Marie
Curie die Politikerin Angela Merkel auf ihrem Weg geprägt hat. Merkel war 18
Jahre Bundesvorsitzende der CDU, 16 Jahre lang Bundeskanzlerin; auch wenn sie
zum Ende ihrer Amtszeit betont hat, dass Politiker*innen keine Vorbilder sein
müssten, hat sie in Reden immer wieder Bezug auf Marie Curie genommen, um
gerade junge Mädchen und Frauen zu motivieren, ihren Weg zu gehen, auch und
gerade in die Wissenschaft.
Der
Präsident der Goethe-Universität, Prof. Enrico Schleiff, sagt:
„Wichtige und relevante wissenschaftliche oder gesellschaftliche Themen, oft
mit komplizierten Hintergründen und Zusammenhängen, so aufzuarbeiten, dass
sowohl die Frage als auch die Antwort verständlich und greifbar für die Breite
der Gesellschaft wird, ist eine hohe Kunst und von unschätzbarem Wert. Das
deutsche Wissenschaftssystem hat viel für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft
zu bieten, und dies durch Wissenschaftskommunikation auf höchstem Niveau zu
vermitteln ist wichtiger denn je. Mit dem Goethe-Medienpreis wird zum
wiederholten Mal außerordentliche Qualität im wissenschafts- und
hochschulpolitischen Journalismus ausgezeichnet. Die prämierten Beiträge
diskutierten die Funktionsweise der Wissenschaft, den Wert der
wissenschaftlichen Bildung für die Selbstbestimmung des Individuums und ihre
Verantwortung in der internationalen Zusammenarbeit - drei Fragen mit Relevanz
für die Akzeptanz der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wir danken unseren
Partnern, der FAZIT-Stiftung und dem Deutschen Hochschulverband, für die
Möglichkeit, seit langem herausragende Leistungen im Wissenschaftsjournalismus
auch als Role Model für zukünftige Arbeiten auszeichnen zu können.“
Für
die Jury erklärte Carsten Knop, Herausgeber der Frankfurter Allgemeine
Zeitung (FAZ): „Die ausgezeichneten Arbeiten sind Musterbeispiele für
sorgfältige Recherche, kenntnisreiche Darstellung und für eine Sprache, die
ihrem Thema gerecht wird. Der nachforschende, nachfragende, nachdenkliche
Journalismus ist nicht von gestern, sondern sehr lebendig. Und das gilt
natürlich nicht nur für geschriebene Texte, sondern auch für die Audio- und
Videoformate im Wettbewerb. Die Jury findet: Die Beiträge von Jeanette
Schindler, Lea Weinmann (et al.) und Friederike Haupt sind ausgezeichneter
Journalismus, und sie stehen für das, was den Beruf immer ausgezeichnet hat und
ausmachen wird.“
Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes (DHV), Prof. Dr. Bernhard Kempen: „Journalistinnen und Journalisten erklären der Öffentlichkeit nicht nur die Hochschulwelt oder die Forschung. Zu ihren Kernaufgaben gehört vielmehr auch, zu hinterfragen und einzuordnen, mithin kritisch und unbequem zu sein, weil sie Distanz haben und wahren müssen. Mein herzlicher Glückwunsch geht an die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger, die diesen Anspruch in herausragender Weise erfüllen. Ihre Arbeiten stehen für qualitätsbewussten wissenschafts- und hochschulpolitischen Journalismus, für den der Goethe-Medienpreis als bundesweit erste Auszeichnung dankenswerter Weise seit nunmehr 15 Jahren eine Bresche schlägt.“
Der
2008 von der Goethe-Universität ins Leben gerufene und von der FAZIT-Stiftung
unterstützte, unabhängige Medienpreis prämiert 2022/23 zum achten Mal
stilistisch und inhaltlich herausragende Beispiele für hochschul- und
wissenschaftspolitischen Journalismus. Mit dem Preis wollen die Jury und die
Initiatoren des Preises einen Impuls geben, um dieser Gattung von Journalismus
mehr Beachtung zu verschaffen. Der Goethe-Medienpreis wurde am 3. April 2023 im
Rahmen der „Gala der Deutschen Wissenschaft“ des DHV im Berliner Schauspielhaus
verliehen.