Ausstellungs-Präsentation von Götz Aly und Margit Berner an der Goethe-Universität zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus
FRANKFURT. Erzwungene
Aufnahmen jüdischer Menschen stehen im Zentrum der diesjährigen Veranstaltung
zum Holocaust-Gedenktag
Donnerstag,
27. Januar, um 12 Uhr,
zu der das Fritz Bauer Institut und das Präsidium der Goethe-Universität wieder gemeinsam einladen – diesmal online.
Dr. Margit Berner, Kuratorin am Naturhistorischen Museum Wien,
entdeckte im Jahr 1997 im Archiv eine Schachtel mit 565 Porträtaufnahmen. Im
Stil von Fahndungsfotos sind darauf Menschen aus dem polnischen Tarnów zu sehen
kurz vor ihrer Deportation. Erstellt worden waren die Bilder im Auftrag von
Dora Kahlich-Körner und Elfriede Fliethmann, zweier Anthropologinnen. Die
Gesichter der Menschen, die die beiden Wissenschaftlerinnen im Dienste der
NS-Ideologie auch penibel vermaßen und katalogisierten, bringen vieles zum
Ausdruck, zumal Angst und Abscheu. Nur 26 der fotografierten Männer, Frauen und
Kinder haben den Holocaust überlebt.
Im Zuge umfangreicher Recherchen gelang es Margit Berner, die
Fotos namentlich zuzuordnen und die vielen Schicksale zu dokumentieren. Dabei
stieß sie auf eine Veröffentlichung von Götz Aly und Susanne Heim, „Vordenker
der Vernichtung“ von 1991. Darin spielen die beiden Anthropologinnen eine
Rolle. So entstand die Idee einer gemeinsamen Wanderausstellung. Unter dem Titel
„Der kalte Blick. Letzte Bilder jüdischer Familien aus dem Ghetto von Tarnów“
wurde zum einen das ehrgeizige Vorgehen der beiden Wissenschaftlerinnen
dokumentiert, zum anderen erzählt die Ausstellung vom Leben der Juden in Tarnów
vor 1939 und danach – als Beispiel für Verfolgung und Vernichtung unzähliger
jüdischer Gemeinden in dem von Deutschen beherrschten und terrorisierten Polen.
Derzeit ist die Ausstellung bis 18. April 2022 als Wiederaufnahme in der
Stiftung Topographie des Terrors zu sehen. Zum Ausstellungsteam gehörten
außerdem Dr. Stephanie Bohra (Stiftung Topographie des Terrors, Berlin) und Dr.
Ulrich Baumann (Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin).
Am 27. Januar, dem Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus, werden die Wiener Kuratorin Dr. Margit Berner und der
Berliner Historiker Prof. Dr. Götz Aly die Ausstellung online präsentieren.
Seit 2011 kooperieren das Fritz Bauer Institut und das Präsidium
der Goethe-Universität, um gemeinsam einen Vortrag oder eine Vorlesung zum
Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz anzubieten. Referent
beim Auftakt 2011 war der Rechtshistoriker und Direktor des
Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte Prof. Michael Stolleis,
der 2021 verstorben ist.
„Die Goethe-Universität bleibt nicht zuletzt über ihren heutigen
Hauptstandort eng mit der Geschichte des Holocaust verbunden: Die IG Farben,
die hier ihren Sitz hatte, war ab 1942 über das Buna Werk in Auschwitz-Monowitz
verstrickt in die Verbrechen an Zehntausenden Zwangsarbeitern. Über ihre
Tochterfirma Degesch verdiente sie am Gas Zyklon B beträchtlich mit, das zur
fabrikmäßigen Tötung von Menschen beigetragen hat. Dieser Vergangenheit wollen
wir uns stellen, damit sie nicht in Vergessenheit gerät“, sagt Universitätspräsident
Prof. Enrico Schleiff.
Information: https://www.fritz-bauer-institut.de/veranstaltungen/veranstaltung/der-kalte-blick
Anmeldung zum Online-Vortrag per E-Mail an anmeldung@fritz-bauer-institut.de, Betreff: „27. Januar
2022“. Die Veranstaltung wird auch als Livestream auf YouTube gezeigt. Hierfür
ist keine Anmeldung notwendig. Link zum YouTube-Livestream: https://youtu.be/bmAyTMDHekQ
Publikation: Der kalte Blick – letzte Bilder jüdischer Familien aus dem Ghetto
von Tarnów / The Cold Eye – Final Pictures of Jewish Families from the Tarnów
Ghetto. Begleitkatalog zur gleichnamigen Ausstellung (deutsch/englisch), Hg.
Naturhistorisches Museum Wien (vertreten durch: Dr. Katrin Vohland), Stiftung
Denkmal für die ermordeten Juden Europas (vertreten durch: Uwe Neumärker),
Stiftung Topographie des Terrors (vertreten durch: Dr. Andrea Riedle), Berlin
2020, 272 Seiten, ISBN 978-3-941772-48-9, Euro 18,-
Eine Illustration zum Download finden Sie unter: https://www.uni-frankfurt.de/111359703
(Montage
unter Verwendung eines Bildes vom Fotofund aus dem Naturhistorischen Museum
Wien „Tarnów Juden 1942“ und zeitgenössischen Messinstrumenten der
Anthropologie; Bildautor: Wolfgang Reichmann, Naturhistorisches Museum Wien)