VolkswagenStiftung fördert Erforschung der Situation pflegender junger Menschen mit 1,2 Millionen Euro
Junge Menschen in Ausbildung, die sich um ältere Menschen kümmern:
Sie stehen im Mittelpunkt des Forschungsprojekts „InterCare“ am Fachbereich
Erziehungswissenschaften der Goethe-Universität. Eines steht bereits fest: Die
gesellschaftliche Aufmerksamkeit für diese Gruppe ist weitaus geringer als sie
eigentlich sein sollte.
FRANKFURT. Ungefähr jeder achte junge Mensch in Ausbildung – also Schüler, Azubi und Studierende – ist (mit)verantwortlich für das Wohlergehen und die Pflege älterer, kranker oder behinderter Angehöriger oder anderer nahestehender Personen. Dies hat eine Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung ergeben. Damit ist diese Gruppe größer als die der Studierenden mit eigenem Nachwuchs.
Junge Frauen sowie allgemein junge Menschen mit
Migrationshintergrund sind eher davon betroffen, Pflege und Ausbildung unter
einen Hut bekommen zu müssen. „Eine Riesengruppe, die aber in der öffentlichen
Wahrnehmung vollkommen untergeht“, sagt Dr. Anna Wanka, die mit ihrer Forschung
herausfinden will, wie der Alltag dieser jungen Menschen aussieht, welche
Schwierigkeiten sie meistern müssen und wie man sie dabei unterstützen könnte.
Denn häufig beeinflusse die Verantwortung für einen älteren Menschen die
Schulleistung sowie die Entscheidung für oder gegen ein Studium oder eine
weiterführende Ausbildung, besonders in einer anderen Stadt. Und wer sich doch
dafür entscheidet, hat mit einem schlechten Gewissen, Scham gegenüber Peers und
Dozierenden, sowie Hürden in der täglichen Vereinbarkeit von Bildung und Pflege
zu kämpfen.
Das Projekt „InterCare“ nimmt diese Gruppe als erstes
umfangreiches Forschungsvorhaben gründlich in den Blick. Offizieller Start der
Forschungen ist im Oktober 2024, von da an fließen über vier Jahre hinweg 1,2
Millionen Euro von der VolkswagenStiftung. Wanka hatte sich im Rahmen der
Förderlinie „Herausforderungen und Potenziale für Europa: Intergenerationelle Zukünfte“
bei der Stiftung beworben. Sie leitet an der Goethe-Universität auch die
Emmy-Noether-Forschungsgruppe „Linking Ages“, in der es um Alterskonstruktionen
im Lebenslauf geht.
Angesichts der in allen europäischen Ländern alternden Bevölkerung
sprach die VolkswagenStiftung mit ihrem Förderprogramm vor allem
Forschungsgruppen an, die sich mit Fragen zum demografischen Wandel befassen.
Die Verantwortlichen sollten aus mindestens drei unterschiedlichen europäischen
Ländern stammen. Neben der britischen Anglia Ruskin University und der
Jagiellonen-Universität Krakau nimmt auch die Hochschule Niederrhein in
Möchengladbach in Person von Moritz Heß, Professor für Gerontologie, teil. In
Polen zum Beispiel sei die Situation sehr stark dadurch geprägt, dass professionelle
Pflegekräfte im westlichen Ausland, vor allem in Deutschland, arbeiteten, wo
sie mehr Geld verdienten. In Polen fehlen diese Fachkräfte dann, was die
Angehörigen dort umso stärker in die Pflicht nimmt.
In der ersten Phase der Studie wird es eine quantitative Erhebung
in Deutschland geben: Wie viele Betroffene gibt es tatsächlich? Wie stellt sich
die Problematik an Bildungseinrichtungen dar? Wo verunmöglichen die Regeln –
zum Beispiel Anwesenheitspflichten in Labors und Seminarräumen – die Teilnahme
am Ausbildungsgang? Die Ergebnisse sollen dann mit der Situation in
Großbritannien und Polen verglichen werden. Für eine zweite Phase sind
„dyadische Interviews“ geplant, die sich dadurch auszeichnen, dass ein „Tandem“
aus einem jungen Menschen mit Pflegeverantwortung und der gepflegten Person
einzeln und gemeinsam befragt wird. „Die getrennte Befragung ist notwendig,
weil auch über schambehaftete Themen, sowie Gewalterfahrungen und
Freiheitsbeschränkungen gesprochen werden sollte“, so Wanka. Das Projekt ist
zum Teil partizipativ angelegt, das heißt: Die Betroffenen gestalten den
Studienablauf selbstständig mit und produzieren gemeinsam mit den Forschenden
eine virtuelle Ausstellung sowie eine Podcast-Serie, um Bewusstsein für das
Thema zu schaffen.
Hintergrund:
Weitere Informationen
Dr.
Anna Wanka
Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung
Goethe-Universität
Telefon 069 798-36411
E-Mail
Wanka@em.uni-frankfurt.de
Homepage: https://www.uni-frankfurt.de/129313223/Anna_Wanka
Twitter-Handle/Nutzername: WankaAnna
Dr. Wanka
kann u.U. auch Interviews mit betroffenen Personen vermitteln.
Redaktion: Dr. Anke Sauter, Referentin für Wissenschaftskommunikation,
Büro für PR & Kommunikation, Telefon 069 798-13066, Fax 069 798-763-12531, sauter@pvw.uni-frankfurt.de