Frankfurter Forscherinnen und Forscher entdecken neuen Mechanismus der Chemotherapie-Resistenz in Darmtumoren
Forschende des Georg-Speyer-Hauses und der Goethe-Universität haben einen neuen Mechanismus entdeckt, der erklärt, warum nur ein Teil der Zellen eines Darmtumors auf eine Chemotherapie anspricht. Das von Prof. Florian Greten geleitete Forschungsteam konnte feststellen, dass bei der Chemotherapie absterbende Tumorzellen noch ein letztes Mal mit benachbarten Tumorzellen kommunizieren, um sie mit einer Anleitung zu versorgen, wie sie der Therapie widerstehen können. Die sterbenden Zellen programmieren die Signalkaskaden in den benachbarten Tumorzellen so um, dass sie nicht mehr anfällig für die Chemotherapie sind. Damit sorgen die sterbenden Zellen unter dem Strich für ein Überleben des Tumors.
FRANKFURT. Das
Kolorektale Karzinom ist in Deutschland die zweithäufigste Krebstodesursache.
In den letzten Jahren konnte die Krebsforschung die frühzeitige Diagnose und
Therapie zwar deutlich verbessern, die Resistenz fortgeschrittener Darmtumore
gegenüber gängigen Chemotherapien stellt jedoch immer noch ein großes Problem
dar und trägt maßgeblich zur hohen Sterblichkeit von Patientinnen und Patienten
mit kolorektalen Tumoren bei.
Wenn Chemotherapeutika Darmkrebszellen zum Absterben bringen,
stoßen diese Moleküle der zellulären Energiewährung ATP (Adenosintriphosphat) als
Botenstoff aus. Dies haben jetzt Forschende um Prof. Florian Greten vom
Georg-Speyer-Haus in Experimenten nachgewiesen. Dieses ATP bindet an bestimmte
Rezeptoren (P2X4 Purinorezeptoren) auf der Oberfläche umliegender Tumorzellen.
Dadurch wird in diesen Nachbarzellen ein wichtiger Überlebenssignalweg
aktiviert, der sie vor dem Zelltod schützt und den Tumor resistent gegenüber
der Therapie macht.
Die durch die Chemotherapie getöteten Zellen „warnen“ sozusagen
ihre Nachbarzellen und liefern ihnen gleichzeitig eine Überlebensstrategie.
Wenn die Kommunikation zwischen den sterbenden Tumorzellen und ihren
Nachbarzellen jedoch unterbrochen wird – dies konnten die Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler in präklinischen Modellen zeigen – erhöht das die Effizienz
der Chemotherapie um ein Vielfaches, und ursprünglich resistente Tumore
sprechen sehr gut auf die Chemotherapie an.
Dr. Mark Schmitt, Erstautor der Studie erläutert: „Unsere
Forschungsergebnisse zeigen, dass trotz jahrelanger erfolgreicher Forschung immer
noch unbekannte Mechanismen entdeckt werden, die uns zeigen, wie perfide sich
Tumorzellen einer therapeutischen Kontrolle entziehen. Unsere Ergebnisse
liefern nun einen neuen vielversprechenden Ansatzpunkt, mittels
Kombinationstherapie die Ansprechrate fortgeschrittener kolorektaler Karzinome
auf gängige Chemotherapeutika erheblich zu verbessern.“
Prof. Florian Greten, Direktor des Georg-Speyer-Hauses und
Sprecher des hessischen LOEWE-Zentrums Frankfurt Cancer Institute erläutert:
„Wir waren überrascht zu sehen, dass Tumorzellen Mechanismen der Kommunikation
entwickelt haben, die so weit gehen, dass selbst noch die sterbenden
Tumorzellen aktiv daran mitwirken, bei einem therapeutischen „Angriff“ das
Überleben ihrer Nachbarn zu gewährleisten. Wir haben große Hoffnung, dass wir
durch die Unterbrechung der Kommunikation zwischen den Zellen auch in
Patientinnen und Patienten diese enorme Steigerung in der Wirkung der
Standardtherapie erzielen können.“ Das Team möchte nun gemeinsam mit
Kolleginnen und Kollegen des Frankfurt Cancer Institutes dieses neue
Therapiekonzept an Patienten testen.
Publikation: Mark Schmitt, Fatih Ceteci, Jalaj Gupta, Marina
Pesic, Tim W. Böttger, Adele M. Nicolas, Kilian B. Kennel, Esther Engel,
Matthias Schewe, Asude Kirisozu, Valentina Petrocelli, Yasamin Dabiri, Julia
Varga, Mallika Ramakrishnan, Madina Karimova, Andrea Ablasser, Toshiro Sato,
Melek C. Arkan, Frederic J. de Sauvage & Florian R. Greten: Colon tumour
cell death causes mTOR dependence by paracrine P2X4 stimulation. Nature (2022) https://doi.org/10.1038/s41586-022-05426-1
Bilder zum Download: https://www.uni-frankfurt.de/128472339
Bildtexte:
Prof.
Dr. Florian Greten, Georg-Speyer Haus. Foto: Uwe Dettmar für
Goethe-Universität-Frankfurt
Dr. Mark Schmitt, Foto: Eliana Stanganello
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Florian R. Greten
Georg-Speyer-Haus
Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie / Goethe-Universität
Frankfurt
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Redaktion: Dr. Markus Bernards, Referent für Wissenschaftskommunikation, Büro PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12498, Fax 069 798-763-12531, bernards@em.uni-frankfurt.de