Bertha Pappenheim Map geht online: Audiowalk auf den Spuren der jüdischen Sozialaktivistin führt ins Frankfurter Stadtleben um 1900 und heute
Frankfurter jüdische Geschichte sichtbar machen wollen die
digitalen Spaziergänge, die aus einem gemeinsamen Projekt der
Judaistik-Professorin Rebekka Voß an der Goethe-Universität, der Bremer
Künstlerin Elianna Renner und der Frankfurter Soziologin Dr. Marion Keller
entstanden sind: Die Web-App führt an Wirkstätten der sozial engagierten Jüdin,
Frauenrechtlerin und Schriftstellerin Bertha Pappenheim (1859-1936). Am 20.
Juni geht die App mit dem Titel „Bertha Pappenheim Map“ mit einem
Eröffnungsrundgang offiziell online (https://berthapappenheim.com/).
FRANKFURT. Bertha
Pappenheim stammt aus dem Frankfurter jüdischen Großbürgertum, das sich im
späten 19. und frühen 20. Jahrhundert für bessere Lebensbedingungen und Bildung
der Bevölkerung einsetzte. Obwohl die streitbare Aktivistin mit ihrem Kampf vor
allem für Frauen, die durch Prostitution und Mädchenhandel gefährdet waren,
ihrer Zeit weit voraus war, spielt sie bislang im Gedächtnis der Stadt kaum
eine Rolle. Nun haben Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen ein detailreiches
Portrait von Bertha Pappenheim erarbeitet und in einer zweisprachigen App
(deutsch/englisch) erlebbar gemacht. Die App versammelt kurze Geschichten,
historische Fotos und Videos zu Kunstaktionen über aktuelle Parallelen. Dabei
machen die Audio-Walks bewusst: Frauenhandel ist ein bedeutender Teil der
Migrations- und Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
Wer sich mit dem Smartphone auf einen der drei digitalen Rundgänge
durch Westend, Bahnhofsviertel und Ostend begibt, bewegt sich zwischen
jüdischem Alltag, Antisemitismus, Migration, Menschenhandel und dem Kampf für
mehr Rechte für Frauen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert.
Pogrome in Osteuropa hatten jüdische Familien, unter ihnen auch Frauen, allein
oder mit ihren Kindern, in die Flucht gen Westen getrieben. In Frankfurt
gestrandet, waren mittellose Frauen Prostitution und Mädchenhandel
ausgeliefert. Ihnen wollte Bertha Pappenheim einen schützenden Ort bieten:
Ihrer zupackenden, entschiedenen Art ist es zu verdanken, dass Frankfurter
soziale Einrichtungen Allianzen schmiedeten, um u. a. ein Wohnheim für
alleinstehende Frauen und ihre Kinder zu errichten.
Zum Schutz der Frauen, davon war Pappenheim überzeugt, musste aber
vor allem deren rechtliche und soziale Stellung sowie die Bildungs- und
Berufssituation verbessert werden. Dafür setzte sich die Sozialaktivistin und
Schriftstellerin auf Kongressen und in der Praxis ihr Leben lang ein – und
brüskierte damit etliche Zeitgenossen. In ihrem eigenen Nachruf für
verschiedenen Zeitschriften formiert sie es nüchtern: „Sie war eine Frau, die
jahrzehntelang eigensinnig für ihre Ideen eingetreten ist. (…) Sie tat es oft
in Formen und Wegen, die einer Entwicklung vorgreifen wollten, so wie sie auch
nicht nach jedermann Sitte und Geschmack waren. Schade!“
Zur Eröffnung der Bertha Pappenheim-Map beginnt ein speziell dafür
zusammengestellter Rundgang um 14 Uhr auf dem Vorplatz des Jüdischen
Museums Frankfurt mit einem Gespräch von Prof. Dr. Rebekka Voß, Elianna Renner
und Dr. Marion Keller mit Linda Kagerbauer (Frauenreferat der Stadt Frankfurt)
über den mehr als fünfjährigen Entstehungsprozess ihres
Kunst-Wissenschafts-Projekts, an dem auch Studierende der Goethe-Universität
beteiligt waren. Daran schließt sich ein ca. einstündiger Spaziergang mit der
Bertha Pappenheim Map an (https://berthapappenheim.com/). Er
führt zu ausgewählten Stationen der drei digitalen Rundgänge. Gäste aus
Frankfurter Sozialinstitutionen ergänzen den Stadtspaziergang mit Berichten aus
der gegenwärtigen Arbeit mit Menschen in schwierigen Lebenslagen. Der Rundgang
endet auf dem Bertha-Pappenheim-Platz.
Die kostenlosen Rundgänge lassen sich online ohne vorherigen
Download als Audiowalks auf Deutsch und Englisch abrufen. Für den digitalen
Stadtrundgang ist ein Smartphone mit Internet erforderlich. Um Anmeldung zur
Eröffnung wird gebeten unter: besuch.jmf@stadt-frankfurt.de.
Die Veranstaltung des Jüdischen Museums Frankfurt findet statt in
Kooperation mit dem Frauenreferat der Stadt Frankfurt und der Gesellschaft zur
Förderung judaistischer Studien in Frankfurt a. M.
Weitere Informationen
Prof.
Dr. Rebekka Voß
Professorin
für Geschichte des deutschen und europäischen Judentums
voss@em.uni-frankfurt.de
Redaktion: Pia Barth, Referentin für
Öffentlichkeitsarbeit, Abteilung PR & Kommunikation, Telefon 069 798-12481, Fax 069 798-763-12531p.barth@em.uni-frankfurt.de