Stellvertreter, Sachwalter, Standschafter. Rechtsformen der Repräsentation

Malte Gruber / Isabell Hensel / Rudolf Wiethölter

Flemalle_HeiligeVeronika

Im Wintersemester 2011/2012 veranstalten wir
mittwochs von 16:15 - 17:45 Uhr in Raum RuW 2.101 (Campus Westend)
ein privatrechtstheoretisches Seminar zum Thema:

Stellvertreter, Sachwalter, Standschafter. Rechtsformen der Repräsentation

(SPB 3)

 


Eine eigene Willenserklärung in fremdem Namen wirksam abgeben zu können, erfordert Vertretungsmacht. Diese Voraussetzung ist schon hinsichtlich ihrer positiv-rechtlichen Normierung von gewillkürter und gesetzlicher Vertretung keineswegs einfach zu bestimmen. Hierzu hat die Zivilrechtsdogmatik bereits eine differenzierte Systematik verschiedener Formen der Repräsentation entwickelt. Doch auch was heute als selbstverständlich erscheinen mag, namentlich die prinzipielle Möglichkeit, rechtswirksam für einen Anderen zu handeln und ihn damit unmittelbar zu verpflichten – ganz genauso, als ob er selbst gehandelt hätte – ist alles andere als trivial. Denn sie fußt auf der Annahme, dass Rechtssubjekte von anderen Rechtssubjekten überhaupt „im Willen“ vertreten werden können. Eine solche „Willenserweiterung“ und „Vervielfältigung der Rechtsmacht des Ichs“ gilt zwar als unentbehrliche Grundlage des Rechtsverkehrs und der Rechtsdurchsetzung in modernen, arbeitsteiligen und kommunikativ vernetzten Gesellschaften. Doch gleichzeitig birgt sie Schwierigkeiten, insbesondere wenn es um Zurechnung und Haftung für stellvertretendes Handeln geht. Zu den Trägern eines externalisierten Willens gehören allerdings nicht nur Stellvertreter im rechtstechnischen Sinn, sondern auch andere „Dritte“, Sachwalter, Prozessstandschafter, sowie weitere gesellschaftliche Formen der Repräsentation, die insbesondere im Zusammenhang mit den Fragen der politischen Stellvertretung relevant werden. Ihnen gemeinsam ist eine komplexe konzeptionelle Verfasstheit in einem weiten erkenntnistheoretischen, historischen, kulturellen, politischen und rechtlichen Sinnrahmen von „Repräsentationen“, der es auf vielgestaltige Weisen erlaubt, Abwesende(s) präsent zu machen und zur Geltung zu bringen.




Themen


I. Vertretungen / Triaden
 

1.  Termin (26.10.2011): Fürsprachen
a) Franz Kafka, Der Fürsprecher (1936), <http://franz-kafka.keyword-research.de/erzaehlungen/fuersprecher.php>.
b) BGHZ 122, 1 - Ballettschule.
c) Rüdiger Campe, An Outline for a Critical History of Fürsprache: Synegoria and Advocacy, Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 82 (2008), 355-381.

2.  Termin (2.11.2011): Stellvertretungen
Paul Laband, Die Stellvertretung bei dem Abschluß von Rechtsgeschäften nach dem allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuch, Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht 10 (1866), 183-241.

3.  Termin (9.11.2011):  Dreiecke
a) BGHZ 51, 250 - Werkunternehmer.
b) BGHZ 36, 30 - Idealheim.
c) BGHZ 40, 272 - Elektrogeräte.
d) BGHZ 41, 157 - Grenzüberbau.

4.  Termin (16.11.2011): Sorge-Rechte
a) BVerfGE 72, 155 - ererbtes Handelsgeschäft.
b) Peter Derleder, Die Mündigkeit der Unmündigen. Kindeswohl – Kinderrechte – Kinderpflichten, Kritische Justiz 1997, 277-291.

 

II.  Sachwaltungen / Advokaturen
 

5.  Termin (23.11.2011): Drittinteressen als Allgemeininteressen
Harm Peter Westermann, Drittinteressen und öffentliches Wohl als Elemente der Bewertung privater Rechtsverhältnisse, Archiv für die civilistische Praxis 208 (2008), 141-181.

6.  Termin (30.11.2011): Drittinteressen als Beteiligteninteressen
Gunther Teubner, Expertise als soziale Institution: Die Internalisierung Dritter in den Vertrag, in: Gert Brüggemeier (Hg.), Liber Amicorum Eike Schmidt zum 65. Geburtstag, Heidelberg 2005, 303-334.

7.  Termin (7.12.2011): Antizipativer Rechtsschutz
a) Anne Röthel, Form und Freiheit der Patientenautonomie, Archiv für die civilistische Praxis 211 (2011), 196-220.
b) Malte-Christian Gruber, Biodiversitätsschutz als Forderung intergenerationeller Gerechtigkeit. Zugang zu genetischen Ressourcen, Vorteilsausgleich und Verantwortung für zukünftige Generationen, Natur und Recht 33 (2011), 468-479.

 

III.  Standschaften / Organschaften
 

8.  Termin (14.12.2011): Kollektiver (repräsentativer) Rechtsschutz
a) Renate Schaub, Streuschäden im deutschen und europäischen Recht, Juristenzeitung 2011, 13-23.
b) Burkhard Hess, „Private law enforcement“ und Kollektivklagen. Regelungsbedarf für das deutsche Zivilprozessrecht?, Juristenzeitung 2011, 66-74.
c) Harald Koch, Sammelklage und Justizstandorte im internationalen Wettbewerb, Juristenzeitung 2011, 438-445.

9.  Termin (11.1.2012): Kollektive Intentionalität
a) Thomas Hobbes, Leviathan (1651), Stuttgart 1980, Kap. 16, 142-147.
b) Hans Bernhard Schmid, Können Gehirne im Tank als Team denken?, in: Hans Bernhard Schmid/ David P. Schweikard (Hg.), Kollektive Intentionalität. Eine Debatte über die Grundlagen des Sozialen, Frankfurt/M. 2009, 387-413.
c) Peter-Paul Verbeek, Cyborg intentionality: Rethinking the phenomenology of human-technology relations, Phenomenology and the Cognitive Sciences 7 (2008), 387-395.

10.  Termin (18.1.2012): Kollektive Personalität
a) Thomas Raiser, Der Begriff der juristischen Person. Eine Neubesinnung, Archiv für die civilistische Praxis 199 (2009), 104-144.
b) Volker Beuthien, Zur Funktion und Verantwortung juristischer Personen im Privatrecht, Juristenzeitung 2011, 124-130.
c) BGHZ 117, 104 - Gemeindewissen.

 

IV.  Medien / Repräsentationen
 

11.  Termin (25.1.2012): Botschaften/ Botengänge
a) Sybille Krämer, Medium, Bote, Übertragung. Kleine Metaphysik der Medialität, Frankfurt/M. 2008, 9-19 und 103-121.
b) Dan Wielsch, Die Zugangsregeln der Intermediäre: Prozeduralisierung von Schutzrechten, Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht 2011, 665-673.

12.  Termin (1.2.2012): Technische Vertreter
a)  Francisco Andrade/ Paulo Novais/ José Machado/ José Neves, Contracting agents: legal personality and representation, Artificial Intelligence and Law 15 (2007), 357-373.
b)  Giovanni Sartor, Cognitive automata and the law: electronic contracting and the intentionality of software agents, Artificial Intelligence and Law 17 (2009), 253-290.

13.  Termin (8.2.2012): Leibliche (Selbst-)Repräsentation
a)  Maurice Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung, 6. Auflage, Berlin 1966 (Nachdruck 1974), 207-235 und 442-447.
b)  Kurt Seelmann, Repräsentation als Element von Menschenwürde, Studia Philosophica 63 (2004), 141-158.

 

Organisatorisches:

Die Veranstaltung wird im Wintersemester 2011/2012 – beginnend am 26.10.2011 – mittwochs, 16.00 c.t. bis 17.45 Uhr in Seminarraum RuW 2.101 (2. OG) stattfinden. Das Seminar gilt als Schwerpunktbereichsveranstaltung für den Schwerpunktbereich Grundlagen des Rechts (SPB 3). Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften sind ebenfalls willkommen. Den Seminarreader können Sie gegen Ende der Semesterferien bei „Copy am Campus“, Parkstraße 20 (Nähe Bushaltestelle Campus Westend) erhalten. Einen Leistungsnachweis kann erwerben, wer nach Absprache mit den Dozenten einen mündlichen Vortrag nebst schriftlicher Ausarbeitung zu einem der Texte oder einer übergreifenden, seminarbezogenen Fragestellung anfertigt. Die Arbeit sollte einen Umfang von ca. 20 Seiten haben und mit einem wissenschaftlichen Fußnotenapparat sowie einer Bibliographie versehen sein. Einzelheiten werden zu Beginn des Semesters gesondert besprochen.Zur Anmeldung und Vormerkung für eines der Seminarthemen wenden Sie sich bitte an Dr. Malte Gruber, RuW 3.145, oder schreiben Sie eine E-Mail an <gruber@jur.uni-frankfurt.de>.

 

Das vollständige Seminarprogramm erhalten Sie hier als pdf.