Emotionale Rechtsökonomie

Malte Gruber / Rudolf Wiethölter

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Im Sommersemester 2010 veranstalten wir mittwochs von 16.15 bis 17.45 Uhr in RuW 2.102 ein rechtstheoretisches Seminar zum Thema:

Emotionale Rechtsökonomie

(SPB 3)

- Vorbesprechung: Mittwoch, 3. Februar 2010, 15 Uhr c.t., RuW 3.101 -


Die an den Bildern des Homo oeconomicus und der rational choice orientierte ökonomische Analyse des Rechts scheint sich neuerdings wieder verstärkt auf die psychologischen Erklärungsmöglichkeiten menschlichen Verhaltens einzulassen. Mit den Mitteln der jüngeren „Verhaltensökonomie“ und der „Neuroökonomie“ versucht sie der empirischen Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich Menschen und Märkte keineswegs immer rational verhalten. Unwirtschaftliche oder gar schädliche Entscheidungen können aus dieser Sicht im Wege eines so genannten „libertären Paternalismus“ vermieden werden, der „sanfte“ Anreize zu „klugen“ Entscheidungen setzen soll. Im rechtsökonomischen Wandel spiegelt sich eine bereits länger anhaltende Verschiebung in der gesellschaftlichen und kulturellen Wertorientierung wider, die sich hinter Begriffen wie „emotionaler Intelligenz“ oder „sozialen Emotionen“ und schließlich sogar hinter neuen, „affektiv“ genannten Disziplinen verbirgt. Das verhaltensökonomische Interesse an den nicht-rationalen Aspekten des Entscheidens und die vor allem in der Psychologie erkannten besonderen Potentiale der Fähigkeit, sich in die Situation Anderer qua „Einfühlungsvermögen“ und „Empathie“ hineinzuversetzen, aber auch ein hierauf gegründetes neues Interesse an der „Erziehung der Gefühle“ haben diese Entwicklung noch weiter befördert. Insbesondere der schillernde Begriff der „Empathie“ wird dabei auf ganz unterschiedliche Arten rekonstruiert, etwa auf der Basis einer „Theory of Mind“ („Mentalizing“, „Spiegelneuronen“) oder aber aufgrund von soziokulturell verankerten Erklärungen einer sozialen Perspektivenübernahme und einer „narrativen Empathie“.



Themen
 
 

I. Moralische Gefühle
 

1. Termin (21.4.2010): Empathie
Susan A. Bandes, „Empathetic Judging and the Rule of Law“, Cardozo Law Review De Novo 2009, 133-148.

2. Termin (28.4.2010): Sympathie und Wohlergehen
Klaus Mathis, Efficiency instead of Justice? Searching for the Philosophical Foundations of the Economic Analysis of Law, 3rd ed. 2009, 87-119.

3. Termin (5.5.2010): Expressionen der Anerkennung
a) Axel Honneth, „Unsichtbarkeit. Über die moralische Epistemologie von ‚Anerkennung‘“, in: Unsichtbarkeit. Stationen einer Theorie der Intersubjektivität, 2003, 10-27.
b) Ders., „Zwischen Hermeneutik und Hegelianismus. John McDowell und die Herausforderung des moralischen Realismus“, a.a.O., 106-137.

4. Termin (12.5.2010): Gewissensentscheidungen
Niklas Luhmann, „Die Gewissensfreiheit und das Gewissen“, Archiv des öffentlichen Rechts 90 (1965), 257-286.

 

II. Rational Choice und emotionale Intelligenz
 

5. Termin (19.5.2010): Affektlogik
Luc Ciompi, „Ein blinder Fleck bei Niklas Luhmann? Soziale Wirkungen von Emotionen aus Sicht der fraktalen Affektlogik“, Soziale Systeme 10 (2004), 21-49.

6. Termin (26.5.2010): Intuitionen
a) Jonathan Haidt, „The Emotional Dog and Its Rational Tail: A Social Intuitionist Approach to Moral Judgment“, Psychological Review 2001, Vol. 108, No. 4, 814-834.
b) Bryce Huebner, Susan Dwyer & Marc Hauser, „The role of emotion in moral psychology“, Trends in Cognitive Sciences 2009, Vol. 13, No. 1, 1-6.

7. Termin (2.6.2010): Verhaltensökonomie
a) Colin Camerer, „Behavioral economics: Reunifying psychology and economics“, Proceedings of the National Academy of Sciences 1999, Vol. 96, No. 19, 10575-10577.
b) Markus Englerth, Behavioral Law and Economics – eine kritische Einführung, Preprints of the Max Planck Institute for Research on Collective Goods, 2004, 1-38.

8. Termin (9.6.2010): Libertärer Paternalismus
Cass R. Sunstein & Richard H. Thaler, „Libertarian Paternalism Is Not an Oxymoron“, The University of Chicago Law Review 2003, Vol. 70, No. 4, 1159-1202.

9. Termin (16.6.2010): Neuroökonomie
a) Jang Woo Park & Paul W. Zak, „Neuroeconomics Studies“, Analysis & Kritik 29 (2007), 47-59.
b) Michael Pauen, „Neuroökonomie – Grundlagen und Grenzen“, Analysis & Kritik 29 (2007), 24-37.

 

III. Alternative Ökonomien
 

10. Termin (23.6.2010): Vertragsfreiheit und -bindung
Ulrich Bröckling, Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, 2007, 7-18 und 127-151.

11. Termin (30.6.2010): Vertragsweltenbindung
Gunther Teubner, Vertragswelten: Das Recht in der Fragmentierung von Private Governance Regimes, Rechtshistorisches Journal 17 (1998), 234-265.

12. Termin (7.7.2010): Homo criticus Francofurtensis
Andreas Fischer-Lescano, „Kritische Systemtheorie Frankfurter Schule“, in: Gralf Calliess, Andreas Fischer-Lescano, Dan Wielsch & Peer Zumbansen (Hg.), Soziologische Jurisprudenz. Festschrift für Gunther Teubner zum 65. Geburtstag, 2009, 49-68.

13. Termin (14.7.2010): Kraft des Normativen
Christoph Menke, „Subjektive Rechte: Zur Paradoxie der Form“, Zeitschrift für Rechtssoziologie 29 (2008), 81-108.

 

Das Programm können Sie hier als pdf herunterladen.

 

Organisatorisches

Die Veranstaltung wird im Sommersemester 2010 mittwochs, 16.00 c.t. bis 17.45 Uhr in Seminarraum RuW 2.102 (2. OG) stattfinden. Das Seminar gilt als Schwerpunktbereichsveranstaltung für den Schwerpunktbereich Grundlagen des Rechts (SPB 3). Studierende der Geistes- und Sozialwissenschaften sind ebenfalls willkommen.

Ein detaillierter Seminarplan wird rechtzeitig vor Veranstaltungsbeginn über die Homepage der Professur Teubner (http://www.jura.uni-frankfurt.de/ifawz1/teubner/index.html) und mit Aushängen bekannt gegeben. Den Seminarreader können Sie spätestens gegen Ende der Semesterferien in der Buchhandlung Hector im Hörsaalzentrum erhalten. Einen Leistungsnachweis kann erwerben, wer nach Absprache mit den Dozenten neben einer kurzen Einführung zu einer Sitzung („Impuls“) eine schriftliche Arbeit zu einem der Texte oder einer übergreifenden, seminarbezogenen Fragestellung anfertigt. Die Arbeit sollte ca. 15 Seiten haben und mit einem wissenschaftlichen Fußnotenapparat sowie einer Bibliographie versehen sein.

Zur Anmeldung und Vormerkung für eine der etwa zehn- bis fünfzehnminütigen Einführungen ("Impulse") in den für die betreffende Sitzung angegebenen Text wenden Sie sich bitte an Dr. Malte Gruber, Institut für Arbeits-, Wirtschafts- und Zivilrecht, RuW 2.144, oder schreiben Sie eine E-Mail an <gruber(at)jur.uni-frankfurt.de>.