"Rechte Zeit": Recht als Form der Zeitbindung

Dan Wielsch / Rudolf Wiethölter

J4100064_kl

Im Sommersemester 2008 veranstalten wir
jeweils mittwochs von 11:00 – 12:30 Uhr im Juridicum R 316 ein
(privat)rechtstheoretisches Seminar

"Rechte Zeit": Recht als Form der Zeitbindung
(SPB 3)


Die moderne Gesellschaft ist angetreten, ihre Zukunft selbst zu entwerfen. Die Fähigkeit zur politi­schen wie privaten Selbstbestimmung entscheidet sich daran, über Möglichkeitshorizonte für die Strukturierung von Zukunft verfügen zu können. Maßgeblichen Einfluss hierauf hat das Recht, das Formen der Zeitbindung entwickelt hat, mit denen der Möglichkeitsraum der Zukunft beschränkt wird. Das Recht erlaubt es, schon in der Gegenwart über eine Zukunft zu disponieren mit einer In­differenz gegen die Perspektive von Dritten. Über die unterschiedlichen Zeitbindungsbedürfnisse seiner Umwelt entscheidet das Recht seinerseits in eigener Zeit und anhand einer spezifisch juristi­schen Argumentationspraxis, die sich kommunikations- und sinnkontinuierender Idealisierungen bedient. Die Aufgabe der Abstimmung und Synchronisierung unterschiedlicher sozialer Zeithori­zonte obliegt damit einem selbst bis in seine Tiefen temporalisierten System. Das Seminar verfolgt die Veränderungen der Temporalstrukturen der Gesellschaft und versucht, die Zeitstruktur des Rechts und der Gerechtigkeit selbst freizulegen. Dazu werden insbesondere auch konkrete Rechts­formen der Zeitbindung auf den Gebieten des Vertrags-, Unternehmens-, Verwaltungs- und Straf­rechts untersucht. Die Veranstaltung richtet sich neben Juristen auch an Teilnehmer aus Geschichts- und Gesellschaftswissenschaft sowie der Philosophie.

Der Reader zur Veranstaltung ist ab sofort im Kopierwerk, Adalbertstr. 21a, für 11 € erhältlich.



Programm
 
 

Theoretische Anschlüsse

09. April 2008
Klaus Günther: Vom Zeitkern des Rechts, in: RJ 14 (1995), 13-35.

16. April 2008
Niklas Luhmann: Soziologie des Risikos, 41-81.

23. April 2008
Reinhart Koselleck: Erfahrungsraum und Erwartungshorizont – zwei historische Kategorien, in: Vergangene Zukunft, 349-375; Reinhart Koselleck: Geschichte, Recht und Gerechtigkeit, in: Zeit­schichten, 336-358.

30. April 2008
Jan Assmann: Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Ägypten, Israel und Europa, 15-31 und 46-71

07. Mai 2008
Franz Wieacker: Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft.

14. Mai 2008
Thomas Vesting: Rechtstheorie, § 6 Interpretation, 99-127.
Impuls von Ralf Seinecke

21. Mai 2008
Stephan Kirste: The Temporality of Law and the Plurality of Social Times – The Problem of Syn­chronizing different Time Concepts through Law, in: ARSP-Beiheft Nr. 82 (2002), 23-44.


Rechtliche Formen der Zeitbindung

28. Mai 2008
Malte Diesselhorst: Die Lehre des Hugo Grotius vom Versprechen, 34-55 und 67-81;
Marie Theres Fögen: Entstehung des synallagmatischen Vertrages, Rg 6 (2005), 84-100.

04. Juni 2008
Gunther Teubner: Vertragswelten, in: RJ 17 (1989), 234-265.

11. Juni 2008
Karl-Heinz Ladeur: Regelbildung und Wissensstruktur der Gesellschaft der Organisationen, in: Negative Freiheitsrechte, 171-203; Reiner Schulze: Die Gegenwart des Vergangenen. Zu Stand und Aufgaben der Stiftungsrechtsgeschichte, in: Hopt/Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, 55-71.

18. Juni 2008
Cornelia Vismann: Art. 79 GG, in: Alternativkommentar Grundgesetz; Stephan Kirste: Innova­tives Verwaltungsrecht und Verwaltungsrechtsreform, in: Corsi/Esposito (Hrsg.): Reform und Inno­vation in einer offenen Gesellschaft, 107-131

25. Juni 2008
Bernard S. Jackson: On the Atemporality of Legal Time, in: Ost/Van Hoecke (eds.), Temps et Droits, 225-246.


Ausblicke

02. Juli 2008
Stefan Böschen/Kurt Weis: Die Gegenwart der Zukunft, 89-102 und 249-273.