Frankfurter Tag der Rechtspolitik 2016

Wozu Landesverfassung?

Frankfurter Tag der Rechtspolitik diskutierte zum 70-jährigen Bestehen der hessischen Verfassung

Am 23. November 2016 luden der Fachbereich Rechtwissenschaft der Goethe Universität Frankfurt am Main und das Hessische Ministerium der Justiz zum seit 1992 stattfindenden alljährlichen Frankfurter Tag der Rechtspolitik ein. Der Tag der Rechtspolitik reihte sich in die große Feier zum 70-jährigen Bestehen der Hessischen Verfassung ein. Thema war, „Wozu Landesverfassung?“.

Sowohl die Dekanin Prof. Dr. Ute Sacksofsky, als auch Staatssekretär Thomas Metz betonten in ihren Begrüßungsworten die besondere Geschichte der Hessischen Verfassung als erste Verfassung eines deutschen Bundeslandes nach dem zweiten Weltkrieg und somit auch als älteste immer noch in Kraft befindliche Verfassung der Bundesrepublik. Den Landesverfassungen kommt eine besondere Bedeutung im föderalen System zu; sie verhindern eine Entfremdung zwischen Bürger und Politik und stärken regionale Identitäten.

Im ersten Vortrag des Tages zeichnete Prof. Dr. Stefan Kadelbach (Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität) ein anschauliches Bild vom Entstehen der Verfassung und den auf sie wirkenden Einflüsse in der Nachkriegszeit. Er beschrieb die neuen Herausforderungen an die Hessische Verfassung und brachte Vorschläge zur Änderung ein. Er betonte auch die ausdrücklichen und gewünschten Patizipationsmöglichkeiten durch die Bürger.

Priv.-Doz. Dr. Felix Hanschmann (ebenfalls Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität) beschrieb in seinem Vortrag die Eigenheiten des hessischen Schulrechts und wie diese ländereigene Kompetenz durch den Bund und internationale Organisationen wie der OECD immer weiter ausgehöhlt wird. Plakative Darstellung und Druck der Öffentlichkeit führten zur Unitarisierung der verschiedenen Lehrpläne in den Ländern.

Der Vizepräsident des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs, Dirk Schönstädt, stellte dem Auditorium sehr anschaulich die täglichen Probleme eines hessischen Verwaltungsrichters aus der Praxis vor und wie dieser dem Normenzusammenspiel zwischen hessischen Gesetzen, Bundesgesetzen, der hessischen Verfassung und dem Grundgesetz entgegentritt. Als Fazit bezeichnete er die Landesverfassungen als tragende Säulen des Rechtstaats und betonte ihre Funktion zur Absicherung der Demokratie.

Die abschließende Podiumsdiskussion, an der auch Prof. Dr. Elke Gurlit als Sachverständige der Enquetekommission „Verfassungskonvent zur Änderung der Verfassung des Landes Hessen“ teilnahm, zeichnete sich durch rege Publikumsbeteiligung aus. Sollten Kinderrecht in die Landesverfassung explizit aufgenommen werden? Ist es nicht längst an der Zeit, die Todesstrafe aus der Verfassung zu streichen? Muss das Ehrenamt nicht stärker Berücksichtigung finden? Wird sich ausreichend mit den sog. „Totholz Artikeln“, welche schon längst keine Anwendung mehr finden, beschäftigt? Ist es nicht an der Zeit, ein Zeichen zu setzen und bestimmte Grundrechte in der Hessischen Verfassung nicht nur Deutschen einzuräumen, sondern allen Unionsbürgern? Verbindliche Antworten konnten an diesem Tag nicht gegeben werden. Das Podium als auch die Teilnehmer_innen im dichtbesetzten Hörsaal sind sich jedoch in einer Sache einig: Es ist gut und notwendig über mögliche Änderungen der Verfassung des Landes Hessen zu diskutieren und in Austausch zu treten. Wer sich über den Tag der Rechtspolitik hinaus einbringen möchte, erhielt von Prof. Dr. Kadelbach die Anregung, das eingerichtete Kontaktformular der Enquetekommission (www.hessischer-landtag.de/content/verfassungskonvent) zu nutzen.

Das Podium von links nach rechts:
Priv.-Doz. Dr. Felix Hanschmann, Staatssekretär Dr. Thomas Metz, Prof. Dr. Elke Gurlit, Prof. Dr. Ute Sacksofsky, Virepräsident Dirk Schönstädt, Prof. Dr. Stefan Kadelbach